Ich fuhr um 5 Uhr morgens im Nebel, das 50-Franken-Rad knirschte unter mir und da wusste ich noch nicht: In wenigen Tagen erreiche ich Rotterdam.
- silvanhaag
- 15. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Mai
7 Tage, 800 Kilometer, ein 50-Franken-Rad: Mein spontanes Abenteuer nach Rotterdam
Im Herbst 2023 nahm ich mir 10 Tage Zeit für eine Radtour. Eigentlich hasste ich Radfahren. Und doch reizte mich die Vorstellung, in kurzer Zeit eine relativ grosse Distanz zu schaffen. Ich bereitete mich minimal vor. Kaufte ein Fahrrad auf Ricardo, unternahm eine Probefahrt (von Dübendorf nach Winterthur), schaute ein paar Youtubevideos und lieh die Velotaschen von meinen Eltern aus.

Ich liebe es einfach loszuziehen und unterwegs zu erfahren, was der Weg mir alles bieten kann. So fuhr ich frühmorgens los, ohne ein örtliches Ziel zu haben. Ich fuhr Richtung Norden (da ist es einigermassen flach) und im dunkeln (ca. 5 Uhr morgens) irrte ich in Richtung deutsche Grenze (aufs Navi verzichtete ich bestmöglich, ein Kompass am Lenker sollte reichen). Meine Freundin und einer meiner besten Freunde, schlossen bereits Wetten ab, ob ich am Abend, oder spätestens am nächsten Tag wieder Zuhause bin.
Trotz ersten Startschwierigkeiten, grossen Umwegen und brennenden Oberschenkel, kam ich relativ gut vorwärts. Ich nahm mir die Freiheit nur Hängematte, Tarp, Unterlage und Schlafsack mitzunehmen, damit ich überall Nächtigen konnte.

Die Vorstellung mit dem Rad ans Meer zu fahren, war bereits seit einiger Zeit in meinem Kopf und so entschied ich mich nach den ersten 100 Km, ans Meer zu fahren. Rotterdam schien ein machbares und attraktives Ziel. Zehn Tage hatte ich mir Zeit genommen, 800 Km war die kürzeste Strecke. Mit ca. 100Km pro Tag sollte das Ziel zu erreichen sein. Nach den ersten zwei Tagen mit Höhen und Tiefen, war ich süchtig:
Vorwärtskommen, Kilometer zu "schrubben", bis in die Nacht reinzufahren und die Oberschenkel bis zum Muskelversagen zu bringen.
Unterwegs schlief ich am Rhein, auf einem Campingplatz, im Gebüsch und einmal sogar neben einer Autobahn unter einer Bank (weil ich mich da ein wenig übernommen habe und Regen, Hunger, Müdigkeit mich keinen Meter weiterfahren liessen).
Einmal an einem relativ steilen Anstieg raste ein E-Bikefahrer an mir vorbei und sagte spöttisch:
"Na, wieso denn kein Motor mit dabei?"
Im Moment der Anstrengung machte mich das kurz wütend, später jedoch spürte ich stolz meine brennenden Oberschenkel und freute mich ab der zurückgelegten Distanz.
Mehrere Male kam ich stark an meine Grenzen und fragte ich mich: "Warum tue ich mir das eigentlich an?" Völliger Tiefpunkt war, als ich mich wieder einmal verfuhr und nur noch zwei Möglichkeiten vor mir hatte: Umkehren und mehrere Kilometer zurückfahren, oder einen kurzen Abschnitt auf der Autobahn ins nächste Dorf. Ich entschied mich für Zweiteres und lernte das Autoland Deutschland mit meinem Rad kennen.
Durch diese gemeisterten Herausforderungen wurde ich stärker und der Wille das Meer zu erreichen wurde noch kräftiger.
An Tag 7 am Abend erreichte ich das ersehnte Meer. Mit über 100Km pro Tag und einigen Extraschlaufen, sowie Nachtfahrten hatte ich meine Grenzen verschoben: Es war so viel mehr möglich, als ich mir zugetraut hatte. Ich liess mich auf einem Campingplatz am Meer nieder und genoss die drei zusätzlichen Tage zur Erholung an der Meeresluft.

Durch diese Erfahrung lernte ich, dass ein Abenteuer nicht perfekt geplant sein muss – sondern der Wille, Neues zu wagen, ist entscheidend. Abenteuer sind umso grösser, mit kleinem Budget und ohne High-End-Ultra-Light-Ausrüstung.
Hier noch einige Learnings, was mir das Abenteuer gebracht hat:
Endziele sind gut – Inhaltsziele sind besser
(Der Weg ist das Ziel/Prozess über Ergebnis stimmt manchmal doch)
Mein Avatar (Körper und Mindset) ist zu viel mehr fähig, als ich ihm manchmal zumute.
Es muss nicht immer alles durchgeplant, organisiert und analysiert werden – manchmal reicht es, etwas einfach zu tun.
Auch wenn der Weg hart ist (Orientierungslosigkeit, E-Biker der gemütlich vorbeirast und mich auslacht, dass ich keinen Motor habe, Wetter, Überanstrengung etc.), lohnt es sich ihn zu gehen.
Hast du schon einmal spontan eine Low-Budget-Tour gemacht?
Erzähl von deinem grössten Abenteuer – ich bin gespannt!?
Erzähle es mir in den Kommentaren!
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